Die Berggesichter von Emil Nolde
Es hört sich an, wie ein Märchen aus 1001er Nacht: Der norddeutsche Bauernsohn Emil Hansen verdient sein Geld als Zeichenlehrer in St. Gallen. Quasi „nebenbei“ entwickelt und pflegt er sein künstlerisches Talent. In der Hoffnung auf Publikation schickt er zwei seiner Bilder an den Verlag der gerade erst neu aufgelegten Zeitschrift „Jugend“. Die Zeichnungen zeigen Darstellungen von bekannten Alpengipfeln als skurrile „Menschengesichter“.
Der Herausgeber der "Jugend", Georg Hirth, findet Gefallen an den Bildern, und sie werden 1897 im Format einer Ansichtskarte in der Wochenschrift abgedruckt *1) (siehe auch Scans im ersten Bild der Slideshow.
Die Zeichnungen finden in der Leserschaft eine begeisterte Resonanz. In der Folge der Ereignisse zeichnet Hansen insgesamt dreißig Bilder mit „Berggesichtern“, die er als Ansichtskarten in großen Auflagen produziert und verkauft.
Der Gewinn aus dem Verkauf der Ansichtskarten ermöglicht Emil Hansen die finanzielle Unabhängigkeit und begründet die spätere Weltkarriere des Künstlers und Malers Emil Nolde*2).
*1) Die ersten veröffentlichten Karten „Nordabhänge im Lötschental“ und „Jungfrau, Mönch und Eiger“ finden sich in: Jugend, Jhg. 1, No.: 36, Seite 585, 1896
*2) Die ganze Geschichte findet sich in einem kürzlich von Magdalena Möller publizierten, wunderschön produzierten Büchlein: „Emil Nolde - Die Bergpostkarten“, Hirmer Verlag München, ISBN-13: 978-3-7774-3375-2
Slideshow: Ein echter Klassiker ...
Nachgang
Im Nachgang dieser märchenhaften Erfolgsstory werden um die Jahrhundertwende von anderen Künstlern zahllose weitere Karten mit „Berggesichtern“ produziert. Allein die im Verlag F. Killinger, Zürich und im Verlag Jos. Selling, München veröffentlichten ebenfalls sehr schön gestalteten und in der Sammlerwelt weithin bekannten Kartenserien erreichen zusammen locker eine dreistellige Zahl verschiedener Motive (Beispiele siehe BIld 5 bis 7 der Slideshow).
Trotzdem bleibt der Zauber der initialen Idee von Emil Nolde, Berge als skurrile menschenähnliche Fabelwesen darzustellen, etwas Einzigartiges. Seine 30 Karten sind – obwohl zum Teil in sechsstelligen Auflagezahlen hergestellt - in der Sammlerwelt weithin gesucht und geschätzt. Die selteneren Karten erreichten in den letzten Jahren bei den einschlägigen Auktionen regelmäßig Verkaufspreise von mehreren hundert – ja bis über 1000 Euro. Ein stattlicher Kaufpreis für ein 9x14 cm Stückchen bedrucktes Papier….. (s. "Motblanc der hohe Alpenkönig" im vierten Bild der Slideshow, die Galerie zeigt Bilder aller 30 Nolde-Karten).
Übrigens: Bei der Karte Nummer 23 „Der schwarze Madatsch und das Nashörnle“ hat Nolde noch ein ganz besonderes „Gimmick“ eingebaut: Wenn man die Karte auf den Kopf stellt, erscheinen dem Betrachter zwei neue, zusätzliche „Berggesichter“, die sich aus den Stirnkonturen der beiden „regulären“ Gesichter formen (siehe drittes Bild der Slideshow).