Der Zauber des Originals: handgemalte Ansichtskarten
Jeder, der sich schon einmal in Ruhe und mit halbwegs wachem Verstand ein Original eines Gemäldes, einer Zeichnung oder vielleicht einer Skulptur angeschaut hat, kennt dieses Gefühl: Originale haben oft eine ganz unmittelbare Wirkung, eine Art „Aura“, die uns in ihren Bann zieht.
Keine auch noch so gut gelungene Reproduktion kann dieses Gefühl in uns erzeugen. In der Nähe des Originals entsteht eine bestimmte Art von „Intimität“. Man meint quasi dabeigewesen zu sein, als der Künstler an seinem Werkstück gearbeitet hat: Ein sich in haarfeine Konturen auffächernder Pinselstrich, ein sich in der Textur des Bildes abhebender Farbklecks, oder die sich im Licht spiegelnde, vom Untergrund leicht abgehobene schwarze Tinte eines Federstrichs – plötzlich ist dieses Gefühl der Nähe da. Dieser Zauber funktioniert auch bei „handgemalten“ Originalen von Ansichtskarten.
Es ist leicht zu verstehen, dass der beschriebene Zauber des Originals auf den elektronisch reproduzierten Seiten einer Homepage schwer zu vermitteln ist. Und trotzdem: Schauen Sie sich die Bilder der Slideshow und weiter unten in der Galerie genau an! Man kann es sehen - ja vielleicht ein ganz klein wenig fühlen: Alles Originale.
Slideshow: Kunst per Post
Original oder Reproduktion
Ansichtskarten sind, noch dazu in der heutigen Zeit, zum überwiegenden Teil reine Massenware. Deshalb denken wir ganz unwillkürlich eben nicht an „Original“ sondern an „Reproduktion“. Das ist jedoch - in Ruhe überlegt – nicht ganz richtig. Zumindest VOR den sagenhaften Möglichkeiten moderner Computertechnologie steckte hinter jeder Ansichtskarte zu irgendeinem Zeitpunkt der Herstellung ein „Original“.
Bei den klassischen Lithografien, wie sie vor etwa 100 Jahren hergestellt wurden, war das „Original“ nicht unbedingt ein einzelnes Bild oder Foto, das durch das Druckverfahren 1:1 auf die Kartenvorlage übertragen wurde. Das „Original“ war vielmehr eine durch die Hand des Künstlers gravierte Druckvorlage, die dann, oft in mehreren Druckvorgängen hintereinander bzw. übereinander, zum fertigen Bild gedruckt wurde. In Anerkennung der künstlerischen bzw. handwerklichen Fähigkeiten des Graveurs bzw. des Druckers ist es durchaus berechtigt, wenn solche Karten beim Verkauf als „ORIGINAL Lithografie“ beschrieben werden.
Wenn wir umgangssprachlich von „Original“ und von „Reproduktion“ einer Bildvorlage sprechen, dann meinen wir aber etwas grundsätzlich Anderes: Das Original bezeichnet ein Bild, das vom Künstler zunächst als Unikat in einem künstlerischen Prozess erschaffen wurde. Die Reproduktion ist dann eher ein technischer Prozess, der versucht einen möglichst guten Kompromiss zwischen Aufwand der Herstellung und Qualität der vervielfältigten Reproduktion herzustellen. Ein gutes Beispiel sind die Karten der Berggesichter von Emil Nolde (s. separate Geschichte unter "Stöbern"): So faszinierend die künstlerische Gestaltung der Motive ist. Die noch nicht ausgereifte Qualität der Drucktechnik zu Beginn des 20sten Jahrhunderts nimmt hier einiges vom Zauber des Originals (Einige erhaltene Originale der Karten werden im Emil-Nolde Haus in Seebüll aufbewahrt; ich habe sie selbst schon einmal bewundern dürfen - es war ein beeindruckendes Erlebnis (siehe www.nolde-stiftung.de).